Die
Jungfernreise
Am Abend
des 20. Juli genau um 16.58 Uhr verlässt die »Hanseatic« den Hamburger Hafen zur ersten Ausreise nach den USA. Doch zunächst soll sie nur Elbabwärts bis nach Cuxhaven führen. An den Ufern des Stromes drängen sich einige zehntausend Menschen, die für den Dampfer ein buntes Spalierbilden. Der tiefe »Keller-Baß« des gewaltigen Typhons dröhnt dreimal lang über das weiträumige Hafengebiet. Das mit Dampf gespeiste Schiffshorn befindet sich direkt hinter der Verkleidung des vorderen Schornsteins an einem der höchsten Punkte des Schiffes. Bei jedem der eindrucksvollen Töne quellen reichlich weiße Dampfwolken aus dem
Typhon.
Die in Hamburg bereits eingeschifften Passagiere, unter ihnen auch der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt, Max Brauer, richten sich noch in ihren Kabinen ein, machen sich mit der ungewohnten Umgebung vertraut. Unterdessen passiert die »Hanseatic«, nachdem die Hafenschlepper um 17.24 Uhr ihre Trossen losgeworfen haben, das »Willkommenhöft« in Schulau. Dies ist ein beliebtes Ausflugsziel der Hamburger mit einer ungewöhnlichen Attraktion. Jedes ein- oder auslaufend vorüberkommende Schiff wird hier begrüßt und verabschiedet. Die Flagge des Heimatlandes steigt am Mast empor, und aus Lautsprechern schallt die jeweilige Nationalhymne über den Strom. Die Schiffe erwidern den Gruß, indem sie ihre Flagge dippen. Für die »Hanseatic« ist dies am Tag ihrer Jungfernfahrt noch einmal Anlass, das Typhon ertönen zu lassen.
In der Küche herrscht Hochbetrieb, während das Schiff majestätisch langsam die vielbefahrene Elbe herunter gleitet und die Grüße vieler anderer Schiffe zu erwidern hat. In den Restaurants ist das festliche Eröffnungsdinner schon beendet, als das Schiff um
21.26 Uhr einen weiteren markanten Punkt der Revierfahrt erreicht: Den Ausgang des Nord-Ostsee-Kanals bei Brunsbüttel.
In den Salons
und an den Bars trifft man sich zu den ersten Cocktails, raucht eine gute Zigarre, hält einen kleinen Plausch über das Wetter oder das neue Schiff und macht sich miteinander bekannt. Vor Brunsbüttel geht der
Elblotse von Bord, der der Schiffsleitung bisher sicher den Weg durch das Fahrwasser gewiesen hat. Er wird von einem Kollegen abgelöst, der die »Hanseatic« bis nach Cuxhaven bringt. Bisher haben die »Chadburn«-Maschinentelegrafen noch nicht die volle Kraft der mächtigen Antriebsaggregate abgefordert, denn auf der schmalen Elbe kann dieses riesige Schiff nicht mit voller Kraft fahren. Es würde dabei eine solche Schwell verursachen, dass der Wellenschlag zu erheblichen Schäden an den Uferbefestigungen führen könnte. Immerhin bringen die Maschinen bei voller Leistung 31400 Pferdestärken auf die beiden Schraubenwellen und verleihen dem Koloss damit eine hohe Fahrt. Noch aber müssen Karl Güster und sein Team in der Maschine ihre Pferde am kurzen Zügel halten, die Turbinen laufen nur mit gedrosselter Kraft.
Einige Stunden sind bereits vergangen, seitdem das Schiff seinen Liegeplatz am Schuppen 71 des Hamburger Hafens am Kaiser-Wilhelm-Höft verlassen hat, als allmählich die ersten Lichter der Zwischenstation Cuxhaven ausgemacht werden. Bis die »Hanseatic« fest vertäut am
Steubenhöft, dem zu Hamburg gehörenden »Bahnhof der Tränen« an der
Elbmündung, liegt, wird noch eine weitere Stunde vergehen. Unterdessen werden dort die letzten Vorbereitungen getroffen. Die Festmacher trinken noch eine
Tasse Kaffee, bevor sie sich zum Ausholen der dicken Trossen fertig machen. Hafenarbeiter halten die Gangway bereit, die von den beiden Kränen zwischen Schiff und Abfertigungsanlage gesetzt werden soll. Zwei Schlepper fahren dem Dampfer entgegen. Der Hafenmeister nimmt noch einmal den ihm wohlvertrauten Liegeplatz in Augenschein, an dem die »Hanseatic« zum ersten Mal festmachen wird. Ein gutes Stück vor dem Steubenhöft machen die Schlepper die Trossen fest, an denen sie den Dampfer an das Steubenhöft bugsieren werden. Doch zunächst muss das riesige Schiff mitten im Fahrwasser vor Cuxhaven gedreht werden, denn angelegt wird gegen den laufenden Ebbstrom. Den Zuschauern an Land bietet sich ein imposantes Bild, als der hell erleuchtete
Dampfer ganz langsam dreht. Der Bugsier-Schlepper »Danzig« hat vorn am Bug festgemacht, ein Schlepper der Cuxhavener Firma Taucher O. Wulf am Heck. Während des Wendemanövers erstreckt sich der »Schleppzug« fast über das gesamte Fahrwasser, das vor dem Steubenhöft nur wenige hundert Meter breit ist, obwohl sich der Mündungstrichter der Elbe hier bereits auf rund 18 Kilometer verbreitert hat. Ganz langsam und lautlos schiebt sich das Schiff immer näher an seinen Liegeplatz heran. Wieder dröhnt das mächtige Typhon dreimal lang über die Elbe und die kleine Stadt an der Eibmündung - es ist ein ohrenbetäubender Lärm. Eigentlich ist dieses Typhonsignal ein Notzeichen, doch Passagierschiffe nutzen es sehr gern bei besonderen Anlässen. Und ein solcher ist die Ankunft in Cuxhaven tatsächlich, wird doch damit Cuxhaven wieder zu einer der internationalen Drehscheiben im Transatlantik-Auswandererdienst.
Von der Steuerbord-Brückennock, dem offenen äußeren Fahrstand rechts neben der Kommandobrücke, blicken der Kapitän und der kurze Zelt zuvor an Bord gekommene Hafenlotse auf die langsam näherkommende Anlegestelle hinunter. Kommandos erschallen, Schlepper »Danzig« zieht noch langsam voraus, während der Wulfschlepper an der Backbordseite drückt, um die »Hanseatic« langsam an die Pier zu schieben. Die letzten Maschinenmanöver werden gefahren. Dann fliegen die mit kleinen Sandsäcken beschwerten Wurfleinen vom Schiff hinüber. Die Festmacher ziehen daran die dicken Trossen herüber, mit denen das Schiff fest an den Pollern vertäut wird.
Winschen ziehen die Trossen stramm. Die »Hanseatic« liegt fest. Es ist mittlerweile
23.30 Uhr geworden. Zum ersten Mal hat das Schiff seinen künftigen heimlichen Heimathafen
Cuxhaven angelaufen, in dem es in Erinnerung an die besseren Tage der
Transatlantik-Passagierschifffahrt noch heute heißt: »Gleich um die Ecke geht es nach Amerika.«
Einige Stunden sind bereits vergangen, seitdem das Schiff seinen Liegeplatz am Schuppen 71 des Hamburger Hafens am Kaiser-Wilhelm-Höft verlassen hat, als allmählich die ersten Lichter der Zwischenstation Cuxhaven ausgemacht werden. Bis die »Hanseatic« fest vertäut am Steuben-höft, dem zu Hamburg gehörenden »Bahnhof der Tränen« an der Eibmündung, liegt, wird noch eine weitere Stunde vergehen.
Unterdessen werden dort die letzten Vorbereitungen getroffen. Die Festmacher trinken noch eine Tasse Kaffee, bevor sie sich zum Ausholen der dicken Trossen fertig machen. Hafenarbeiter halten die Gangway bereit, die von den beiden Kränen zwischen Schiff und Abfertigungsanlage gesetzt werden soll. Zwei Schlepper fahren dem Dampfer entgegen. Der Hafenmeister nimmt noch einmal den ihm wohlvertrauten Liegeplatz in Augenschein, an dem die »Hanseatic« zum ersten Mal festmachen wird. Ein gutes Stück vor dem Steubenhöft machen die Schlepper die Trossen fest, an denen sie den Dampfer an das Steubenhöft bugsieren werden. Doch zunächst
muss das riesige Schiff mitten im Fahrwasser vor Cuxhaven gedreht werden, denn angelegt wird gegen den laufenden Ebbstrom. Den Zuschauern an Land bietet sich ein imposantes Bild, als der hell erleuchtete Dampfer ganz langsam dreht. Der Bugsier-Schlepper »Danzig« hat vorn am Bug festgemacht, ein Schlepper der Cuxhavener Firma Taucher O. Wulf am Heck. Während des Wendemanövers erstreckt sich der »Schleppzug« fast über das gesamte Fahrwasser, das vor dem Steubenhöft nur wenige hundert Meter breit ist, obwohl sich der Mündungstrichter der Elbe hier bereits auf rund 18 Kilometer verbreitert hat. Ganz langsam und lautlos schiebt sich das Schiff immer näher an seinen Liegeplatz heran.
Wieder dröhnt das mächtige Typhon dreimal lang über die Elbe und die kleine Stadt an der
Elbmündung - es ist ein ohrenbetäubender Lärm. Eigentlich ist dieses Typhonsignal ein Notzeichen, doch Passagierschiffe nutzen es sehr gern bei besonderen Anlässen. Und ein solcher ist die Ankunft in Cuxhaven tatsächlich, wird doch damit Cuxhaven wieder zu einer der internationalen Drehscheiben im
Transatlantik - Auswandererdienst. Von der Steuerbord -
Brückennock, dem offenen äußeren Fahrstand rechts neben der Kommandobrücke, blicken der Kapitän und der kurze Zelt zuvor an Bord gekommene Hafenlotse auf die langsam näherkommende Anlegestelle hinunter. Kommandos erschallen, Schlepper »Danzig« zieht noch langsam voraus, während der Wulfschlepper an der Backbordseite drückt, um die »Hanseatic« langsam an die Pier zu schieben. Die letzten Maschinenmanöver werden gefahren. Dann fliegen die mit kleinen Sandsäcken beschwerten Wurfleinen vom Schiff hinüber. Die Festmacher ziehen daran die dicken Trossen herüber, mit denen das Schiff fest an den Pollern vertäut wird. Win-schen ziehen die Trossen stramm. Die »Hanseatic« liegt fest.
Es ist mittlerweile 23.30 Uhr geworden. Zum ersten Mal hat das Schiff seinen künftigen heimlichen Heimathafen
Cuxhaven angelaufen, in dem es in Erinnerung an die besseren Tage der
Transatlantik - Passagierschiffahrt noch heute heißt: »Gleich um die Ecke geht es nach Amerika.«
Jetzt kann die Gangway angebracht werden. Sie verbindet das Promenadendeck des Schiffes direkt mit der Aussichtsplattform der Überseebrücke. Eine zweite kann so angebracht TV erden, daß sie von der Pier zum Ober- oder Hauptdeck reicht. Die schweren Gangways können nur mit Hilfe der hohen Portalkräne transportiert, angebracht und später wieder heruntergenommen werden. Noch bleiben 14 Stunden Aufenthalt in Cuxhaven - dann wird die »Hanseatic« mit den ersten 500 zahlenden Passagieren der Hamburg-Atlantik-Linie an Bord erstmals das
Steubenhöft in Richtung New York verlassen. Und noch immer befinden sich Männer der Werft und der Ausrüstungsfirmen an Bord. Das Schiff ist auch jetzt noch nicht bis in das kleinste Detail fertiggestellt. Ein Teil der Männer wird sogar die Überfahrt nach New York mitmachen müssen, um die letzten Arbeiten auszuführen. Das läßt sich bei dem
engen Zeitplan nicht vermeiden.
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Tonnenweise kommen Briefe,
Karten, Päckchen und
Pakete an Bord. |
Einschiffungszeit in Cuxhaven ist am folgenden Vormittag von 9 bis 12 Uhr. Weitere 300 Fahrgäste kommen später in den Kanalhäfen Le Havre und Southampton an Bord. Vor dem Auslaufen gibt es noch reichlich Arbeit -nicht nur für die Mitarbeiter der Werft, sondern auch für die Besatzung und alle in Cuxhaven mit der Abfertigung des Schiffes
befassten Stellen. Das Gepäck muss verladen, die Zollabfertigung und
Passkontrolle durchgeführt werden. Frische Schnittblumen, Gestecke und Topfpflanzen kommen noch auf das Schiff. Ein Teil wird sofort in den Kühlräumen verstaut, damit während der Überfahrt ebenfalls frische Blumen zur Verfügung stehen. Ein Teil des Proviants muß noch an Bord genommen werden, und die Bundespost bringt rechtzeitig vor der Abfahrt die letzten Postbeutel zum Steubenhöft, damit sie mit der neuen »Hanseatic« über den Atlantik befördert werden können.
Eigens für diesen Postdienst führt die »Hanseatic« einen Wimpel im vorderen Mast; goldfarben, mit den Bundesfarben schwarz, rot, gold umrandet und mit einem stilisierten Posthorn weist er den Ozeanliner als offizielles Transportmittel der Deutschen Bundespost aus. Nebenher wird die Besatzung damit beauftragt, die Post an Bord zu betreuen. Hunderte, wenn nicht sogar Tausende von Schaulustigen verfolgen an diesem Morgen das geschäftige Treiben rund um den Liner. Viele von ihnen hatten bereits am Abend zuvor das Anlegemanöver beobachtet. Jetzt
bietet sich ihnen das Bild reger Geschäftigkeit auf der Cuxhavener Überseepier.
Eine
einmalige Kulisse: So wie auf dem Staubenhöft drängen
sich Angehörige, Freunde und Bekannte der Reisenden auf keiner
anderen Aussichtsplattform.
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Ein Spiegelbild des noch regen Linienverkehrs über den Nordatlantik: »Italia« und »Hanseatic« treffen sich in
Cuxhaven. |
Die hohen Portalkräne verladen Frachtgut, während ein Sonderzug in den Hafenbahnhof einläuft und seine Fahrgäste direkt bis an das Schiff bringt. Andere fahren mit Taxis oder Privatwagen vor. Elektrokarren ziehen die kleinen Wagen, mit denen das Gepäck an die »Hanseatic« gebracht wird. Gepräckträger, Besatzungsmitglieder, Passagiere, Zöllner, Grenzschutzbeamte, Zulieferer, Schiffsund Reedereiagenten, Besucher und Angehörige strömen in und aus dem Dampfer.
Unter ihnen fällt eine offizielle Delegation der Stadt Cuxhaven kaum ins Auge. Der damalige Oberbürgermeister Karl Olfers führt sie persönlich an. Er und seine Begleiter überbringen die Glückwünsche der Stadt für das Schiff, seine Reederei, den Kapitän und die Besatzung, von der zahlreiche Mitglieder aus Cuxhaven stammen. Dabei trifft Olfers auch mit dem Hamburger Bürgermeister Max Brauer zusammen, der als Ehrengast und auf Einladung des New Yorker Bürgermeisters Robert F. Wagner an Bord weilt. Olfers und Brauer unterstreichen die Bedeutung dieser neuen deutschen Trans-Atlantik-Linie, die ihre Städte direkt mit dem nordamerikanischen Kontinent verbindet. Unterdessen spielt das Cuxhavener Kurorchester, die »Bückeburger Jäger«, das übrigens noch heute Jahr für Jahr während der Hauptsaison im Nordseeheilbad gastiert, auf der Aussichtsplattform der Überseebrücke. Die Unterhaltung ist für die Menschen an Bord wie für die Zuschauer auf den Plattformen der Abfertigungsanlage eine wirklich willkommene Abwechslung und Untermalung des geschäftigen Treibens rund um das Schiff.
Kurz bevor die Leinen losgeworfen werden und die Hafenschlepper den Dampfer auf die Haken nehmen, um ihm beim Ablegen zu assistieren, verlassen die letzten Gäste und Besucher das Schiff. Die Lotsen, Hafenlotse und Elblotse, der das Schiff sicher bis zum Feuerschiff »Elbe l« führen soll, gehen jetzt an Bord.
Während draußen ein böiger Wind um das Schiff streicht und ein wolkenverhangener Himmel wenig sommerliche Gefühle aufkommen läßt, können sich Besatzung und Passagiere an Bord wohler fühlen. Die Klimaanlage sorgt für angenehmere Temperaturen.
Plötzlich dringt dichter weißer Qualm aus den Öffnungen des Schornsteins, hinter denen sich das gewaltige Schiffstyphon befindet. Ein langer Ton dröhnt über Hafen und Stadt und mahnt zur Eile. Wenig später erfolgt ein zweites Signal - die »Hanseatic« läuft aus. Die Gangways sind eingeholt, die dicken Trossen nach und nach losgeworfen. Die Schlepper haben bereits festgemacht und warten darauf, den Dampfer von der Pier weit hinaus in das Fahrwasser zu ziehen, wo die »Hanseatic« dann aus eigener Kraft Fahrt aufnehmen und manövrieren kann. Auf den Aussichtsplattformen und der Pier ist jetzt das zu beobachten, was Cuxhaven gegenüber allen anderen deutschen Häfen so einmalig auszeichnet. Es ist eine großartige, überwältigende Kulisse, die das Schiff verabschiedet. Hunderte winken mit Taschentüchern und kleinen Fähnchen. An der Reling der »Hanseatic« stehen die Fahrgäste auf allen Decks dicht an dicht gedrängt und erwidern die letzten Grüße aus der Heimat. Manches letzte Abschiedswort wird noch hinüber und herüber gerufen. »Muß i' denn, muß i' denn zum Städtele hinaus...« hallt der musikalische Abschiedsgruß über die Elbe, nachdem Schiff, Besatzung und Passagieren bereits über die Lautsprecheranlage eine gute Reise gewünscht worden ist. Während sich der Abstand zwischen Schiff und Pier Meter um Meter
vergrößert, dröhnt das Typhon noch dreimal »lang« über die Blbmündung. Wieder muß das Schiff mitten im Fahrwasser der Elbe gedreht werden. Dicke, schwarze Qualmwolken dringen aus den Schornsteinen, werden aber vom Wind auseinander getrieben. Ganz allmählich fangen die mächtigen Maschinen zu arbeiten an. Dann ertönt noch einmal ein Signal. Es ist für die Schlepper bestimmt, die jetzt die Leinenverbindungen lösen. Ganz langsam nimmt die »Hanseatic« aus eigener Kraft Fahrt auf. Dutzende Male wird sich dieser Vorgang, dieses nautische Manöver in den kommenden Jahren wiederholen. Bald verschwindet die »Hanseatic« hinter der Kugelbake, dem Cuxhavener Wahrzeichen, das gleichzeitig die Grenze zwischen der Elbe und der Nordsee markiert. Bald sind nur noch die roten Schornsteine deutlich auszumachen.
Das Schiff befindet sich endlich auf seiner Jungfernreise. An Bord richten sich die Fahrgäste ein, begutachten ihre Kabinen, machen erste Rundgänge durch das Schiff, werfen neugierige Blicke in die großen Salons und lassen sich an den Bars die ersten Cocktails servieren. Die Stewards stellen sich »ihren« Fahrgästen vor, denen sie während der kommenden achttägigen Überfahrt möglichst alle Wünsche erfüllen werden: Von der Tischreservierung im Speisesaal bis zum Herrichten der Betten und dem Tausch von Wäsche. Ja sogar die Obstschalen in den Kabinen werden von ihnen Tag .für Tag wieder frisch aufgefüllt.
Die »Hanseatic« hat die Lotsenstation beim Feuerschiff »Elbe l« erreicht. Hier geht der Elblotse von Bord, der das Schiff sicher durch die gefährlichen Sandbänke und Untiefen der
Elbmündung geführt hat. Chefkoch Richard Becker und sein Team haben die Küche schon seit Stunden »unter Dampf«. Die ersten Torten und Kuchen stehen bereit, um im neuen »Cafe Helgoland« serviert zu werden. Das Bordorchester sorgt während der Kaffeestunden für flotte Unterhaltung. Hier oben im Cafe bemerken die Fahrgäste kaum, daß die Maschinen unterdessen mit voller Kraft voraus arbeiten. Die »Hanseatic« soll pünktlich in Le Havre eintreffen.
Es ist Abend geworden. Die Passagiere haben sich an Bord umgesehen, die ersten Bekanntschaften
geschlossen, sich den Mitreisenden vorgestellt. Allmählich löst sich die Anspannung des Abschieds von der Heimat, der für einige ein Abschied für immer war, für andere nur ein Abschied auf Zeit. Zwischen 18 und 19.45 Uhr ist »Cocktail-Stunde«. Sie verkürzt die Wartezeit bis zum Abendessen, das in zwei »Sitzungen« ab 18.30 und 20.15 Uhr eingenommen wird. Die großen Speisesäle der Touristenklasse reichen nicht aus, um allen Fahrgästen gleichzeitig Platz zu bieten. Oben im Restaurant »Bellevue« der Ersten Klasse können hingegen alle Passagiere gemeinsam an den festlich gedeckten Tischen Platz nehmen. Der Tag endet für die Fahrgäste im gemütlichen Beisammensein, das Gelegenheit bietet, die noch frischen Bord-Bekanntschaften zu vertiefen. In der Küche herrscht währenddessen noch Hochbetrieb. Das Geschirr wird gewaschen und verstaut. Die Vorbereitungen für den nächsten Tag haben bereits begonnen. Über einen Mangel an Beschäftigung können sich weder die Stewards noch das Personal in der Küche beklagen.
Auch in der Borddruckerei sind die Lichter noch nicht verloschen. Hier wird die bordeigene Tageszeitung gedruckt: Der »Hanseatic-Telegraph«. Er sorgt dafür, daß die Menschen an Bord mit allen wichtigen Informationen versehen werden, erscheint aber nur während der Jungfernfahrt. Später versorgt das »Hamburger Abendblatt« Passagiere und Besatzung ständig telegraphisch mit den aktuellsten Nachrichten aus aller Welt. Gedruckt wird hier außerdem das Tagesprogramm für das Anlaufen von Le Havre und Southampton. Schließlich werden auch die Menükarten für das Frühstück sowie das Mittag- und Abendessen des nächsten Tages fertiggestellt.
Am nächsten Morgen, es ist der 22. Juli 1958, erreicht die »Hanseatic« den Ärmelkanal und passiert die Kreidefelsen von Dover mit Kurs auf die französische Küste. Es geht nach Le Havre. Gegen Mittag wird dieser Hafen erstmals von der »Hanseatic« angelaufen. Das Boot der Hafenbehörde und die Signalstation des Hafens grüßen das Schiff auf Jungfernfahrt mit Flaggen. Dann macht der Dampfer für kurze Zeit an der Pier fest und nimmt 100 weitere Fahrgäste an Bord. Bereits kurze Zeit später
werden die Leinen wieder losgeworfen -nächstes Ziel ist Southampton an der britischen Kanalküste. Es ist schon fast Mitternacht, als die »Schöne Hamburgerin«, wie die »Han-seatic« j etzt überall genannt wird, hell erleuchtet in Southampton einläuft. Hier kommt es zu einer nicht geplanten, aber dennoch bemerkenswerten Begegnung. In Southampton nämlich liegt die »Grand old Lady« der britischen Cunard-Line, die legendäre »Queen Mary«. Deutschlands größtes derzeitiges Passagierschiff, die »Han-seatic« mit ihren gut 30000 Bruttoregistertonnen wirkt neben diesem wahren Ozeanriesen geradezu klein. Immerhin ist die »Queen Mary« mit mehr als 80000 Tonnen vermessen. Hinter ihr könnte sich die »Schöne Hamburgerin« verstecken. Noch einmal gehen ungefähr 150 weitere Fahrgäste an Bord des derzeitigen Flaggschiffes der deutschen
Fahrgast-Schiffahrt. In den frühen Morgenstunden des 23. Juli, verläßt die »Hanseatic« Southampton und nimmt endlich Kurs auf den offenen Atlantik. Die Fahrt führt vorbei an der herrlichen englischen Südküste und durch die letzten Seemeilen des Ärmelkanals. Jetzt wird nur noch der irische Hafen Cobh angelaufen, bevor das Schiff endgültig Kurs auf New York nehmen wird. Die irische Küste gleicht mit ihren zerklüfteten Felsen und großen Buchten der norwegischen. Der Tag neigt sich schon zum Abend, als die »Hanseatic« in einer Bucht vor dem Hafen von Cobh den Anker fallen läßt. Das Schiff ist zu groß, um hier einlaufen zu können. Die 85 Passagiere, die hier noch zusteigen wollen, müssen daher mit einem Tenderboot an Bord gebracht werden. Auch das wird während dieser Jungfernreise zum ersten Mal so praktiziert. Besatzung und Fahrgäste haben sich wieder einmal mit einem Novum vertraut zu machen. Zahlreiche Journalisten von Tageszeitungen, Funk und Fernsehen nutzen die Gelegenheit, um wieder an Land zu gehen. Ihre Berichte sind geschrieben, ihre Schlagzeilen zum Teil bereits erschienen oder gesendet. Noch bevor sie wieder in den Heimatredaktionen eintreffen, sind ihre Sto-ries von der Jungfernreise »gelaufen«. Die Reederei kann sich über diese Publizität nur freuen.
Für den Abend ist auf der »Hanseatic« der erste »Willkommensball« mit dem
»Captains-Dinner« angesetzt. Die Herren erscheinen gemäß der bekanntgegebenen Kleiderordnung im Smoking, die Damen tragen Abendkleider. Bs wird ein großer gesellschaftlicher Abend. Es ist sommerlich warm, als die »Hanseatic« entgegen dem Golfstrom durch die Wellen des nördlichen Atlantik gleitet. Auf dem Sportdeck zwischen den beiden großen Schornsteinen herrscht Betrieb. Hier wird Tennis gespielt. Bei solchem Wetter und ruhiger See ist dieser Platz fast so beliebt wie die Liegestühle am Swimmingpool, die von den sonnenhungrigen Fahrgästen belagert werden. Sie drängen sich auch um die Sonnenstühle, die nicht direkt an den Schwimmbecken stehen und lassen sich dort kühle Drinks zur Erfrischung servieren. Die Stewards schwitzen unterdessen in ihren Uniformen, und die Klimaanlage muß zeigen, daß sie ihren Namen zu Recht trägt. Sie tut das mit wechselhaftem Ergebnis.
An Bord wird der Alltag zur Routine: Morgens trifft man sich im »Cafe Helgoland« zum Gottesdienst, am Nachmittag auf dem Achterdeck zum Ton-