Und ob das Schiff einen Schornstein bekommt! Es wurde schon im letzten Bericht ausgeführt,
dass die Schiffbaukunst sich nicht allein auf konstruktive Dinge beschränkt, sondern neben vielem anderen ein Höchstmaß an organisatorischem Geschick erfordert. Vieles
muss nebeneinander laufen, damit es sich im richtigen Augenblick ohne Verzögerung zusammenfügt. Es mag dem unbefangenen Betrachter vielleicht etwas verfrüht erscheinen, wenn der heutige Baubericht sich besonders mit dem Schornstein des Schiffes
befasst, als ob der nicht warten könnte, bis das Schiff schwimmt und von der Maschine wenigstens soviel an Bord ist,
dass es abzusehen ist, wann er rauchen wird. Aber das ist so eine Sache für sich. Der Schiffsschornstein hat von jeher eine besondere Rolle gespielt. In jenen Tagen, da die Dampfmaschine die Segel von den Meeren vertrieb, wurde der Schornstein Symbol für die neue Kraft, die sich nicht mehr an der Beaufort-skala, sondern in Pferdestärken messen ließ. Dicke Ungetüme erhoben sich über die Decks, je höher desto stärker die Maschine, und je zahlreicher, desto sicherer das Schiff. Das mysteriöse Zutrauen der Seereisenden um die Jahrhundertwende zu den qualmenden Ungetümen forderte damals die uns heute grotesk erscheinende Lösung eines „blinden" vierten Schornsteins heraus. Die Technik ist inzwischen längst so sehr Bestandteil unseres Lebens geworden,
dass es derartiger Vorspiegelungen nicht mehr bedarf. Gleichwohl hat der Schiffsschornstein als solcher seine gewichtige Rolle beibehalten. Er wurde auf die notwendigen Dimensionen reduziert, war
aber in desto stärkerem
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Maße Ausdruck eines zeitbedingten ästhetischen Gefühls. Ob ein Reeder oder eine Werft „modern" war oder nicht, ließ sich weitgehend vom Schiffsschornstein ablesen, von dem der Erbauer selbst glaubte, er verkörpere das echte Verständnis für seine Funktion. Am liebsten hätte man ihn ganz verschwinden sehen, aber alle Experimente in dieser Richtung bewiesen von neuem,
dass daran vor dem Sieg des Atomschiffs gar nicht zu denken ist.
Insbesondere bei Turbinenschiffen ist ein wirksamer Rauchabzug nach wie vor
unerlässlich.
Nun ist nach jener Phase des „blinden Vierten" und nach der einer ästhetischen Überbewertung heute endlich der Punkt erreicht,
dass vor allen Dingen danach gefragt wird: Wie schütze ich den Fahrgast vor Rauchbelästigung? Und um dieses Ziel zu erreichen sind die umfangreichen Windkanalversuche durchgeführt worden, von denen die Fotos dieser Seiten einen kleinen Ausschnitt wiedergeben.
Grundlegende Forderung war, dass die Rauchgase bei jeder Windrichtung, jeder Windgeschwindigkeit und jeder Fahrtstufe des Schiffes frei vom Schiff fortgetragen werden müssen. Weder dürfen die über die ganze Schiffslänge verteilten
Ansaugstutzen der Klimaanlagen Abgase einsaugen, noch soll sich Ruß irgendwo auf den Decks niederschlagen. Zahlreiche Modelle wurden geprüft. Unter ihnen hat sich dasjenige am zweckentsprechendsten erwiesen, das die Form eines schlanken, kegelförmigen Turmes hat, aus dem sich dünne Rauchrohre herausheben, die von einer
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